Bevor wir uns der Frage nach der Funktion von Repliken im musealen Rahmen zuwenden, mag es nützlich erscheinen, kurz über die Begriffe „Original“ und „Replik“ zu reflektieren. Dem Original als musealem Objekt wären folgende Merkmale zuweisbar: Es verfügt über spezifische physische Eigenschaften an sich, es besitzt eine Überlieferung und es stammt aus einem Kontext. Der Informationswert eines musealen Objektes entfaltet sich also auf drei Ebenen. Es erschöpft sich daher niemals in seiner reinen Materialität, sondern besitzt immer auch eine ideelle Komponente, die durch wissenschaftliche Interpretation wiedergewonnen werden muss.
Repliken hingegen haben rein imitativen Charakter, weil sie ihren Informationsgehalt und ihre äußere Gestalt vom Original entlehnen. Sie legen Wert auf eine diesem ähnliche Oberflächenanmutung.
Da nun im Museum die Originale gleichzeitig bewahrt und präsentiert werden müssen, besteht hier ein permanenter konservatorischer Widerspruch, den die Repliken umgehen, weil sie nur der Präsentation wegen existieren. Auch wenn sie die spezielle Aura des „Authentischen“ nicht besitzt, kann die Replik auf der Vermittlungsebene Ähnliches leisten wie ein museales Originalobjekt, indem sie vergessene Kontexte veranschaulicht und verflossene Überlieferungsstationen wie z.B. die Fundsituation dreidimensional rematerialisiert. In dieser Funktion wird die Replik bereits gegenwärtig im Museum eingesetzt und ist einem Modell, der materiellen Rekonstruktion eines verlorenen, teilzerstörten oder übergroßen Objektes bzw. Objektensembles, eng verwandt.
Gegenüberstellung der wesentlichen Eigenschaften von Original und Replik:
Original | Replik |
---|---|
Material, Oberflächenbeschaffenheit | imitierte Oberflächenbeschaffenheit, gegebenenfalls anderes Material |
Überlieferung | entlehnte Überlieferung |
(meist verlorener) originaler Kontext | rekonstruierter Kontext |
Über die direkte Kommunikation des Besuchers mit dem Objekt hinausgehend, fungiert auch die Ausstellung selbst (z.B. durch Themenwahl und Gestaltung) als Mitteilung an den Besucher und die Informationsträger in der Ausstellung dienen der Kommunikation über das Objekt. Jede Ausstellung kann daher als eine Mitteilungsstruktur aufgefasst werden, bei der Objekte als Medium dienen, die in ästhetisch ansprechender Umgebung für den Betrachter wissenschaftlich fundiert aufbereitet und dadurch dem kommunikativen Dialog mit diesem ausgesetzt werden. Durch „szenaristische Komposition“ einer Ausstellung wird die Anmutung des Objektes verstärkt. Während bei der Replikenausstellung ein Zugewinn an Didaktik und ein höherer Mitteilungsgrad durch Inszenierung (Kommunikation über das Objekt) möglich erscheinen, reduziert sich die Kommunikation mit dem Objekt naturgemäß auf die durch Repliken vermittelten Komponenten wie Oberflächenbeschaffenheit oder Dimensionen.
Ein Ausstellungsbesuch dient aber nicht ausschließlich dem Erkenntnisgewinn und der Wissensmehrung, sondern auch dem Erlebnis, der Unterhaltung und Entspannung des Besuchers. Da die drei letztgenannten Phänomene unmittelbaren positiven Einfluss auf die Wahrnehmungbereitschaft des Betrachters haben, ist es legitim, die Möglichkeiten des Verstehens auch durch Emotionalisierung zu steigern. Solches wird in der Ausstellung „Tutanchamun – Sein Grab und die Schätze“ mittels einer Dramaturgie erreicht, in der integrierte Filme nicht nur den wesentlichen Teil der historischen Einführung übernehmen, sondern unmittelbar an die „Entdeckersituation“ heranführen. Die in dieser Ausstellung gebotene Rekonstruktion der Fundsituation in den wichtigsten Kammern des Tutanchamun-Grabes sowie die nachfolgende museal aufbereitete Inszenierung zentraler Objektgruppen stellen die beiden Kernelemente der Vermittlungsstrategie dar. Das Erlebnis einer Gesamtschau (Kontext) befördert hier die Erkenntnis: So wirkt die von der Bestattungssituation vorgegebene Aufreihung der Schreine und Särge bis hin zur Maske entlang einer Hauptachse gleichzeitig monumental und erhellend. Die inhaltliche Aufbereitung erfolgt dabei einerseits mit dem traditionellen Instrumentarium didaktischer Grafik, andererseits mit Hilfe eines dramaturgisch bearbeiteten Audioguide-Textes.
Ein bedeutender didaktischer Vorteil der Replikenausstellung ist die Möglichkeit des Re-Arrangements eines vollständigen (Fund)-Kontextes. Die Fundsituation kann mit den empfindlichen Originalen beinahe nirgends mehr konserviert werden. Zudem besitzt die Replikenschau den wichtigen Vorzug einer beliebigen Vervollständigung von Objektgruppen, die bei der meist selektiven Auswahl von Originalen in herkömmlichen Sonderausstellungen so nicht möglich ist. Auch kann dasselbe Objekt in unterschiedlichen Zusammenhängen mehrfach gezeigt werden.
Entscheidend für den museologischen Wert einer Replikenausstellung sind die fachwissenschaftliche Seriosität und die Inszenierungsqualität bei der Aufbereitung. Erstere optimiert die „Kommunikation über das Objekt“, letztere modelliert die „Ausstellung selbst als Mitteilung“. Beides sollte allerdings auch bei Ausstellungen mit Originalen gewährleistet sein, denn die reine „Kommunikation mit dem Objekt“ reicht häufig für ein ganzheitliches Ausstellungserlebnis nicht aus, sondern bleibt oft genug dem rein Subjektiven verhaftet. Wie beim Sammeln und bei der Erforschung von Musealien sollten daher auch im Ausstellungswesen dem Fachwissenschaftler, in unserem Fall dem Ägyptologen, die entscheidenden Kompetenzen des Auswählens und Aufbereitens vorbehalten bleiben. Schließlich entscheidet das produktive Wechselspiel zwischen gestalterischer und inhaltlicher Konzeption über den Erfolg einer jeden Ausstellung.
Die Institution „Kulturhistorisches Museum“ muss das Sammeln, Bewahren, Erforschen und Vermitteln von Objekten miteinander kombinieren. Während die erstgenannten drei Aufgaben zwingend Originale voraussetzen, sind diese für die reine Vermittlung nicht unbedingt notwendig. Folglich hat das Museum auch kein exklusives Monopol auf Ausstellungen mit kulturgeschichtlichen Inhalten: Wechselausstellungen gastieren bekanntermaßen auch in reinen Ausstellungshallen und werden von außermusealen staatlichen oder kommerziellen Auftraggebern initiiert. Daher erscheint es unsinnig, wenn sich kulturhistorische, also auch ägyptische Museen nur noch darauf kaprizieren, ein Karussell von Sonderausstellungen auszurichten und dabei das Sammeln, Bewahren und Erforschen in den Hintergrund treten lassen.
Die Replikenausstellung eröffnet dem Vermittlungsauftrag des Wissenschaftlers neue Dimensionen, indem die Intensität des Erlebens durch Unmittelbarkeit, Vollständigkeit, Arrangement und Mehrfachinszenierungen der gezeigten Objekte gesteigert werden kann. Sollten sich die kulturhistorischen Museen bei ihren Vermittlungsbemühungen den erlebnisintensiven didaktischen Möglichkeiten von Replikenausstellungen aus falsch verstandenem Purismus verweigern, kann es leicht passieren, dass sie Trends hinterherlaufen, statt sie zu setzen. Es wäre nicht das erste Mal.
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